„Der Kunde wird zum Mitarbeiter“ SWI Geschäftsführer im Interview mit Börse Online

Im Rahmen der SWI Finance Studie „Beste Bank“, einem der umfangreichsten Bankentests Deutschlands, wurde SWI Geschäftsführer Marcus Schad von Börse Online zum diesjährigen Test interviewt. Gemeinsam wurde erörtert was die größten Fehler sind, die Banken machen, was Bankkunden zukünftig erwartet und welche Trends sich in der Branche abzeichnen.

Wie haben Sie in diesem Jahr getestet?

Wir haben die größten deutschlandweit aktiven Filial- und Direktbanken sowie Spezialanbieter analysiert. Insgesamt 33 Institute wurden untersucht. Die Auswahl richtete sich u.a. nach der Größe der Unternehmen, ob sie in den jeweiligen Bereichen führend und von Bedeutung sind (z.B. aufgrund von Zinssätzen, Konditionen).

Das Analysekonstrukt ist dabei vielschichtig. Wir haben relevante Kontaktkanäle der Institute bewertet: Angefangen von den Internetseiten, bis zu Telefon, E-Mail und Chat. Bei Unternehmen, die deutschlandweit aktiv sind und über ein breites Angebotsspektrum verfügen, haben wir zudem die Beratungsqualität und die Beschwerdebearbeitung analysiert.

Was war neu im Vergleich zum Vorjahr?

Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung haben wir Inhalte und Nutzerführung der Internetseiten sowohl auf stationären PCs als auch auf mobilen Endgeräten analysiert. Zudem haben wir den Umfang der Online-Features analysiert. Beispielweise ob auf der Website ein Bereich zu Sicherheitsfragen existierte oder eine Kontoeröffnung online möglich war.

Der Bankentest wird jedes Jahr durch die größte Kundenbefragung im deutschsprachigen Raum flankiert. Worüber ärgern sich Bankkunden am meisten?

Wie im Vorjahr ärgern sich die Kunden am meisten über das Verhalten der Mitarbeiter. Unsere Studien zeigen, dass der menschliche Kontakt sowohl die stärkste positive als auch die stärkste negative Erlebnisintensität hat. Für die Unternehmen stellt dies Chance und Risiko dar. Weitere Ärgernisse sind vor allem die Konditionen und Produktausstattungen, etwa die niedrigen Sparzinsen.

Reagieren Banken auf das größte Ärgernis auf Kundenseite?

Sofern die Banken über das Ärgernis informiert werden, entschuldigen sie sich mit unterschiedlicher Qualität. Leider zeigt die Realität: Zu viel Standardisierung (mit Textbausteinen) und zu wenig individualisierte Beschwerdebearbeitung. Häufig ist der Kommunikationsstil nicht zeitgemäß, sondern behördenmäßig.

Zwei Punkte sind beim Umgang mit dem größten Ärgernis beim Mitarbeiterkontakt besonders erwähnenswert:

1) Bereits im Vorjahr war der Mitarbeiterkontakt das größte Ärgernis. Signifikante positive Veränderungen sind leider nicht festzustellen. Die Banken sollten die Qualität des Mitarbeiterkontaktes verbessern. Die Unternehmens- und Führungskultur ist dabei ein wichtiger Grundstein. Unternehmen, die sich persönliche statt digitale Kontakte „leisten“, sollten diese optimal und mit maximalem Nutzwert für den Kunden gestalten.

2) Noch immer werden Ärgernisse der Kunden erst dann als relevant erachtet, wenn eine eindeutige „Beschwerde“ seitens des Kunden formuliert wird, im Idealfall mit diesem Wortlaut. Leider sind Empathie und Perspektivwechsel in zu geringem Maße ausgeprägt.

Das Beschwerdemanagement stellt seit Jahren ein großes Verbesserungspotenzial dar: Angefangen von der Stimulation von Beschwerden bis hin zur individuellen Bearbeitung. Ärgerlich hierbei: Seit Jahren belegen Studien, dass sich gutes Beschwerdemanagement lohnt.

Was halten Sie von der Aussage: Das kostenlose Girokonto ist Geschichte?

Die nächsten drei Jahre wird die Anzahl der kostenlosen Girokonten sicherlich weiter abnehmen. Das Girokonto ist kostenintensiv. Diese Form von Girokonten müssen sich die Institute in Zeiten dieser Zinssituation und der aufwendigen Regulatorik leisten können bzw. wollen. Dies hat unterschiedliche Gründe und ist meistens in den dahinterliegenden Marktstrategien wie Produkteinführung oder Marktverdrängung begründet. Deshalb wird es immer kostenlose Girokonten geben, auch wenn sie im Zweifel an befristete Aktionen oder an Bedingungen (wie Geldeingang) geknüpft sind.

Kostenlose Services wie ein gebührenfreies Girokonto kann sich eine Bank nur leisten, wenn es ihr wirtschaftlich so gut geht, dass sie sich diese Bonbons als Werbung leisten kann. Wie können Banken es schaffen, ihre Kunden gut zu bedienen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein?

In erster Linie sollte aus dem Girokonto eine Hauptbankverbindung werden. Dies ist häufig die Voraussetzung, um Hausbank zu werden, weitere Produkte anbieten zu können und Geld zu verdienen. Bisher typische Banking-Prozesse werden weiter auf den Kunden verlagert. Self-Services nehmen an Bedeutung zu. Der Kunde wird zum Mitarbeiter. Eines darf man dabei nicht vergessen: Die Akzeptanz dieser Services wird dabei immer davon abhängen, ob die Kunden sie als einfach, convenient, sicher und vertrauensvoll wahrnehmen und erleben.

Rechnen Sie damit, dass durch die Coronakrise noch mehr Filialen geschlossen werden?

Ja. Die aktuelle Kostensituation wird die Banken zwingen, nicht rentable Filialstrukturen zu minimieren. Der Trend der Vergangenheit wird sich verstärken. Das eine oder andere Institut wird sicherlich auch die Krise argumentativ dazu nutzen, bereits geplante Schließungen mit dem Verweis auf Corona durchzuführen. Aber: Auch Kunden werden den Nutzen von Filialen aufgrund der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten zunehmend in Frage stellen. Der Mehrwert von Filialen wird zukünftig im Bereich Erlebnisraum sein. Oder anders ausgedrückt: Die altbekannte Filiale wird keine Zukunft haben. Sie muss sich neu definieren.

Denken Sie, dass das Virus die Themen digitale Beratung und digitalen Anlageprozessen in sogenannten Robo-Advisoren weiteren Schub verleihen wird?

In der Corona Krise haben sich die meisten Robo-Advisor nicht mit Ruhm bekleckert. Die Anleger waren stellenweise extrem überrascht, wie schlecht ihr digitaler Ansatz trotz angeblich guter Risikobewertungssysteme abgeschnitten hat.
Geldanlage bedeutet Vertrauen. Ich zweifle, ob die digitale Beratung in der aktuellen Phase insgesamt an Vertrauen und Akzeptanz gewonnen hat.
Obgleich gerade in Krisenzeiten die Grundlage für Vermögensaufbau gelegt wird, gehe ich nicht davon aus, dass gerade unerfahrene Privatanleger verstärkt in Wertpapiere investieren werden.

Was sind weitere Trends, die Sie ausgemacht haben?

Folgende bereits bestehende Entwicklungen, haben sich weiter manifestiert:

1) Digitalisierung nimmt weiter zu, ebenso ihre Akzeptanz bei den Verbrauchern. Bereitschaft digital zu agieren, steigt. Würde es keine regionalen Bandbreitenprobleme geben, würde die Videokommunikation noch stärker an Bedeutung gewinnen.

2) Leistungsumfeld im Banking-Bereich wird immer austauschbarer. Emotionale Kundennähe ist das Bindemittel für dauerhafte Kundenbeziehungen.

3) Banking as a service (BaaS): Mit BaaS können Unternehmen (z.B. Technologieunternehmen, Vermittler und nicht mehr nur ausschließlich Banken) Finanzdienstleistungen für eigene Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern anbieten. Auf diese Weise kann förmlich jedes Unternehmen aus Kundensicht zu einer eigenen „Bank“ werden. Das Ökosystem Bank ändert sich weiter. Der Wettbewerb nimmt zu.

4) Apps werden an Bedeutung gewinnen und sich zu Plattformen entwickeln. Sie werden zu einem Kundenbindungsmotor.

5) Beyond-Banking-Leistungsangebote: Bankinstitute werden zunehmend Leistungen anbieten, die nicht bankentypisch sind. Dies sind z.B. die Option von Steuererklärungen, Tarifvergleiche im Non-Banking-Bereich oder Cash-Back-Leistungen.

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